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Recht und Billigkeit

In der Umgangssprache benutzen wir häufig das Sprichwort „Was dem Einen recht ist, ist dem anderen billig“, das sinngemäß bedeutet, dass etwas beiden genehm ist oder beide einverstanden sind.

In der Umgangssprache benutzen wir häufig das Sprichwort „Was dem Einen recht ist, ist dem anderen billig“, das sinngemäß bedeutet, dass etwas beiden genehm ist oder beide einverstanden sind. Im Ausdruck „etwas billigen“, „gutheißen, für angemessen erachten“ hat sich diese Bedeutung erhalten. Seit dem 18. Jahrhundert bedeutet etwas Billiges einen niedrigen Preis. In dieser Bedeutung wird das Adjektiv heute noch verwendet, jedoch häufig abwertend, z. B. „das ist eine billige Ausrede“.

Der Begriff Billigkeit leitet sich von dem altgriechischen Wort Epiikie (ἐπιείκεια) ab und war insbesondere in der frühen Moralethik von Bedeutung. So bezeichnete Billigkeit eine Tugend und eine Handlungsmöglichkeit, bei der von der strikten Gesetzesanwendung in Einzelfällen abgewichen werden konnte, um in der konkreten Situation sich (moralisch) richtig verhalten zu können. Hier wird jedoch nicht die juristische Bedeutung dieser Begriffe weiterverfolgt, sondern die Beziehung von Recht und Billigkeit zur Gleichheit. Zur Veranschaulichung betrachten wir das folgende Bild:

Abgebildet sind drei Personen von sehr unterschiedlicher Größe, die versuchen, über einen Zaun ein Spiel zu beobachten. Es werden zwei Szenarien mit den Begriffen „EQUALITY“ (Gleichheit) auf der linken Seite und „EQUITY“ (Gerechtigkeit) auf der rechten Seite gezeigt: Während auf der linken Seite die größte Person gut sehen kann, hat die mittlere Person Schwierigkeiten und die kleinste Person kann trotz der Kiste gar nichts sehen. Dies symbolisiert, dass eine gleiche Behandlung nicht immer zu einem gerechten Ergebnis führt. Auf der rechten Seite wurde die Verteilung der Kisten angepasst: Die größte Person steht auf dem Boden, die mittlere Person auf einer Kiste und die kleinste Person auf zwei Kisten. Dadurch können alle drei Personen das Spiel gleich gut sehen.

Dies verdeutlicht das Prinzip der Gerechtigkeit/Billigkeit – jeder bekommt das, was er individuell benötigt, um das gleiche Ziel zu erreichen. Gleichheit würde bedeuten, bildlich gesprochen, jedem eine gleich große Kiste geben, worauf er sich stellen könnte. Gerechtigkeit/Billigkeit würde kleineren Personen größere Kisten geben, damit alle über den Zaun sehen können. Das Baseball-Feld und der Zaun sind dabei bewusst gewählte Metaphern: Der Sport steht für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, während der Zaun die Barrieren symbolisiert, die Menschen überwinden müssen. Gleichheit bedeutet, jeden gleichzubehandeln oder allen die gleichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Gerechtigkeit/Billigkeit bedeutet dagegen, den Menschen das zu geben, was sie benötigen, um faire Ergebnisse zu erzielen, was eine ungleiche Verteilung von Ressourcen beinhalten kann.

Gleichheit geht davon aus, dass alle vom gleichen Punkt starten. Gerechtigkeit erkennt an, dass Menschen aufgrund verschiedener Umstände unterschiedliche Ausgangspunkte haben. Gleichheit strebt eine gleiche Behandlung an. Gerechtigkeit zielt auf gleiche Ergebnisse oder Chancen ab. Im Rechtswesen spricht man „Billigkeit“ oder „Billigkeitsrecht“, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, die zwar möglicherweise vom strikten Gesetzestext abweichen, aber als gerecht empfunden werden. Während „Gleichheit“ eine gleiche Behandlung aller vorsieht, erlaubt „Billigkeit“ (wie „Equity“) eine differenzierte Betrachtung und Behandlung basierend auf individuellen Umständen. Das Konzept der Billigkeit geht auf Aristoteles zurück, der es als Korrektiv zur strengen Gesetzesanwendung sah, um Gerechtigkeit im Einzelfall zu erreichen.

Man kann also philosophisch die Gerechtigkeit wie folgt betrachten: im Sinne a) einer distributiven, d. h. alle Güter gleich verteilen, b) einer ausgleichenden, d. h. Benachteiligten einen Ausgleich zubilligen oder c) einer Leistungsgerechtigkeit, d. h. entsprechend der Leistung honorieren.

Ferner kann man die Erörterung der Gerechtigkeit mit der Nächstenliebe in Verbindung bringen, so wie es z.B. die christliche Religion tut, die die Nächstenliebe als zutiefst menschliche Fähigkeit betrachtet, welche auch auf die Feinde ausgeweitet wird. Vorbild dieser Haltung ist das Gleichnis des biblischen barmherzigen Samariters (Luk. 10, 30-35).

Diese Haltung nennt man auch eine supererogatorische, d. h. man handelt über das moralisch Geforderte oder Erwartete hinaus und dabei wird keine Gegenleistung erwartet. Eine solche Handlung ist also eine, die zwar moralisch gut oder lobenswert ist, aber nicht verpflichtend oder erforderlich ist.

Die Beantwortung der Frage, ob Billigkeit als freimaurerische Tugend aufgefasst werden kann, überlasse ich gerne dem Denken und der Fantasie unserer Leser.

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